Vorreiterregion MTK –
Gemeinsam gegen Sepsis
Mit der Vorreiterregion Sepsis MTK setzen wir ein wegweisendes Projekt um, das Leben rettet. Unser Ziel ist es, die frühzeitige Erkennung und Behandlung von Sepsis im Main-Taunus-Kreis entscheidend zu verbessern. Durch die enge Zusammenarbeit zwischen Kliniken, Rettungsdiensten und Arztpraxen optimieren wir Diagnose- und Therapieprozesse.
Doch vor allem ist es uns wichtig, auch die Bevölkerung für die Gefahren der Sepsis zu sensibilisieren. Viele Fälle könnten früher erkannt und behandelt werden, wenn mehr Menschen die Warnsignale kennen. Deshalb setzen wir auf umfassende Aufklärungskampagnen, die dabei helfen, Sepsis rechtzeitig zu erkennen und schnell zu handeln.
Mit moderner Technologie, digitaler Vernetzung und gezielten Schulungen für medizinisches Personal und Bürgerinnen und Bürger arbeiten wir gemeinsam daran, die Sterblichkeit zu senken und die Gesundheitsversorgung nachhaltig zu stärken.
Ziele der Vorreiterregion MTK
- Vermeidbare Todesfälle und Langzeitfolgen im MTK verhindern
- Die Mehrheit der Menschen im MTK
- weiß, dass Impfungen schützen können
- kennt die Frühsymptome und die Sepsis-Checkliste
- Die Verbesserung des Sepsiswissens im MTK wird wissenschaftlich belegt
- Der MTK wird deutschlandweiter Vorreiter
- Erstellung neuer und verständlicher Materialien unter Einbezug der Bevölkerung
- Integration von Sepsis in die hessischen Lehrpläne
- Kulturwandel in der öffentlichen Kommunikation
Umsetzung der Ziele durch:
Aufklärung über Früherkennung und Vermeidung einer Sepsis für die 235.000 Einwohner im MTK
Schulung der Ärzteschaft und des medizinischen Personals im ambulanten und stationären Bereich
Aufklärung für Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler in den weiterführenden Schulen im MTK.
Unterstützung und Beratung der Pflegestützpunkte, pflegenden Angehörigen, Gesundheitsbehörden unter anderem dem Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD)
Angebote für Hör- und Sehgeschädigte erstellen und Informationen in leichter Sprache erarbeiten.
Aufbau eines Akutlotsensystems für betroffene Bürgerinnen und Bürger im MTK, kennzeichnend dafür ist eine schnelle und unbürokratische Hilfe für Notfallpatienten in Bezug auf Behörden, häusliche Unterstützung und Beratung.
Fazit: Sepsis ist kein medizinisches Tabu, sondern ein gesellschaftliches Versäumnis. Die Sepsisbekämpfung in Deutschland steht sinnbildlich für ein Gesundheitssystem, das im Akutfall Höchstleistungen vollbringt – aber bei der Prävention und der gesellschaftlichen Einbettung schwerer Erkrankungen zurückfällt. Sichtbarkeit schafft Bewusstsein. Bewusstsein schafft Verantwortung. Und nur Verantwortung führt zu Wandel.
Wenn wir Sepsis dorthin holen, wo sie hingehört – ins Zentrum von Bildung, Politik und öffentlicher Kommunikation – dann entlasten wir nicht nur unsere Intensivstationen, sondern retten konkret Leben.
„Jeder und jede sollte wissen, was Sepsis ist“
7 Fragen an Marion Pfeiffer (Projekt-Initiatorin)
Marion Pfeiffer
1. Ihrer Motivation ist es zu verdanken, dass der MTK zur Vorreiterregion beim Thema Sepsis wurde. Was treibt sie an?
Meine Vision ist es, dass wir im MTK den Notfall Sepsis ebenso rechtzeitig erkennen, wie einen Herzinfarkt oder Schlaganfall. Mein Mann hatte im September 2022 einen Schlaganfall mit anschließender Sepsis, die in der Klinik nicht erkannt wurde. Septischer Schock, Multiorganversagen, 88 Tage auf verschiedenen Intensivstationen in verschiedenen Krankenhäusern. Er überlebte nur knapp, ist heute ein Pflegefall – unser ganzes Leben wurde auf den Kopf gestellt. In Gesprächen mit Mediziner:innen hörte ich immer wieder das Gleiche: Sepsis wird oft zu spät erkannt, weil sie zu unbekannt ist. Weder in der Ausbildung noch in Erste-Hilfe-Kursen ist sie Bestandteil. Und aufmerksam werden die Menschen oft erst, wenn sie selbst Betroffene sind.
2. Wie wurde aus dieser Erfahrung eine konkrete Aktion?
Der Kampf meines Mannes ums Überleben war mein Schlüsselmoment. Ich wusste: Ich muss auch kämpfen – für mehr Aufklärung. Gemeinsam mit Prof. Dr. Michael Booke von den Varisano-Kliniken Main-Taunus, der über einen Zeitungsartikel auf unser Schicksal aufmerksam wurde, entstand die Idee, den MTK zur Vorreiterregion zu machen – zusammen mit der Sepsis Stiftung um Herrn Prof. Konrad Reinhart. Im Kreis stießen wir auf offene Ohren, das hat uns Mut gemacht, und wir organisierten eine erste Sepsis-Schulung an einer Hofheimer Schule. Dabei zeigten sich so viele Irrtümer über das Thema, dass wir uns zur Aufgabe machten, die Kommunikation neu zu denken und die Bevölkerung gezielter in die Aufklärung einzubeziehen.
3. Was tun Sie konkret?
Zusammen mit Prof. Booke und seinem Team sowie mit Unterstützung aus Politik und der Sepsis Stiftung leisten wir Aufklärungs- und Präventionsarbeit. Konkret führen wir Infoveranstaltungen durch, bieten kostenlose Seminare für Schulen im MTK an, verteilen Infomaterial und vernetzen uns, wo es nur geht, um über diesen medizinischen Notfall zu informieren. Geplant sind außerdem Akutlotsen, die bei jedem Notfall den Betroffenen für die ersten zehn Tage nach der Diagnose bei Bedarf zur Seite stehen. Denn auch das habe ich selbst erfahren müssen: Erkrankt ein Familienmitglied auf einen Schlag, entsteht ein schier unüberwindbarer Berg an administrativen Aufgaben, die für viele Menschen gar nicht zu stemmen sind. Müssen Kinder betreut werden, ein Haustier untergebracht oder Ämter kontaktiert? Darum kümmern sich die Akutlotsen in dieser ohnehin schwierigen Zeit.
4. Was ist Ihr Ziel?
Unser Ziel ist es, dass jede und jeder im MTK weiß, was Sepsis ist – wie man sich im Notfall zu verhalten hat, was zu tun ist, wo man Hilfe bekommt. Denn nur durch schnelles Handeln kann die Sepsis-Sterblichkeit gesenkt und können Langzeitfolgen verhindert werden. Das größte Problem ist, dass es für viele Patient:innen zu spät ist, wenn sie eingeliefert werden. Da kann auch das beste Ärzteteam nichts mehr machen. Gleiches gilt für medizinisches Personal: Nur wer gut geschult ist, kann im Ernstfall die richtigen Entscheidungen treffen. Dazu gehört auch, dass das Thema Sepsis in den Lehrplan an Schulen aufgenommen wird. Denn was bringt es, wenn unsere Kinder Goethe, Schiller und Sinuskurven beherrschen, aber nicht wissen, wie man z.B. einen Notruf absetzt? Denn das ist übrigens für sämtliche Generationen ein Problem: Sie scheuen sich, den Notruf zu wählen, weil sie Angst haben, etwas falsch zu machen.
5. Warum ist der MTK als Vorreiterregion so gut geeignet?
Zum einen ist der MTK ein vergleichsweise kleiner Landkreis, was kurze Entscheidungswege ermöglicht. Projekte können dadurch schneller angestoßen und umgesetzt werden. Zum anderen erleben wir hier eine große Innovationsbereitschaft: Die Menschen sind offen für neue Ansätze und arbeiten gerne und unkompliziert zusammen. Auch die Kommunikation stimmt. Dadurch kommen wir schnell ins Handeln, ohne dass erst große Teams oder langwierige Abstimmungsprozesse nötig wären.
6. Was konnten Sie bereits erreichen?
Wir konnten in den vergangenen zwei Jahren bereits viel erreichen: Zahlreiche Schüler:innen, Sanitäter:innen, Klinikmitarbeitende sowie angehende Erzieher:innen sind zum Thema Sepsis geschult. Alle Rettungswagen im Kreis verfügen dank Prof. Booke über Schnelltests zum Erkennen hoher Entzündungswerte, die auf eine Sepsis hindeuten. Unsere Homepage und ein Buchungsportal zur Teilnahme an Schulungen und Infoveranstaltungen stehen, Plakate wurden gedruckt, erste Praxen und Gemeinden machen mit, und auch die Medien werden auf unseren innovativen Ansatz aufmerksam.
7. Wo besteht noch dringender Nachholbedarf?
Der nächste Schritt ist, Pflegeheime einzubeziehen und mit dem Netzwerk „Älterwerden“ sowie den Frühen Hilfen zu kooperieren, um Risikogruppen – wie ältere Menschen und Neugeborene – besser zu schützen. Nachholbedarf besteht bei der Einbindung von Unternehmen und Einzelhandel – sowohl inhaltlich (z. B. Notfall-Schulungen) als auch bei der Sichtbarkeit durch Flyer und Plakate. Auch fehlt uns derzeit finanzielle Unterstützung für unseren ehrenamtlichen Einsatz und künftige Aktionen: Unser Ziel ist eine Ein-Euro-Spende pro Einwohner des MTK. Fördergelder stehen uns aktuell nicht zur Verfügung, daher sind wir auf die Solidarität der Menschen im Kreis angewiesen.
